Frühjahr 1978. Meine Freunde und ich treffen uns am Klohäuschen gegenüber des Festplatzes, wir möchten gemeinsam den Jahrmarkt unserer Heimatstadt besuchen. Unser Ziel ist die Himalayabahn, ein großes Fahrgeschäft, auf dessen geschwungenen Umrandungsdielen wir gerne rumstehen, weil dort die aktuellen Chart-Hits am lautesten abgespielt in unsere Ohren knallen. Dieses Karrussel hat riesige Lautsprecherboxen, vor denen wir prima rumlungern können, ohne Geld auszugeben. Und das Beste ist, alles, ohne miteinander oder mit anderen 16-Jährigen reden zu müssen. Wir hören zusammen, wir starren alles an, es ist laut. Wir nicken uns gegenseitig Musik zu oder lehnen sie kopfschüttelnd ab, mit den Schultern zucken wir uns an, wenn wir sie nicht kennen.
Wir Musikis haben uns. Wir sind Freunde. Hauptsache, laut Musik hören im Halbdraussen der Kirmes. Frittenfett riecht rüber, lecker. Fritten kaufen wir nicht, zu teuer. We came to hear, Außer Kuddel, der Drucker lernt, danke Kuddel.
Am Kassenhäuschen der Himalayabahn hängt ein Schild, auf dem steht, dass ein junger Mann zum Mitreisen gesucht wird. Oje, müsste ich dann mit ins Elsaß ? Mit dem Fahhrad nicht so weit.
Im Häuschen drin sitzt der DJ und Fahrchipseverkäufer mit seinen vielen Schallplatten und Fahrchipsen. Der Typ ist eine sprechende Türsteher-Jukebox. Er ist unser nachmittäglicher Musik-Gott; selber Schuld, wenn er wie der Typ auf dem Turiner Grabtuch aussieht.
Hoffentlich legt er bald seine neuen Platten aus den englischen Charts auf, wir müssen aber auch geduldig sein, das bedeutet für uns erstmal den Schrott aus den deutschen Charts ertragen zu müssen.
Aber dann, zwei Singles später, nach „La Bionda – One For You, One For Me“, legt er diese eine 45er auf seinen Kirmesplattenspieler. Ich bin sofort völlig von den Socken, dieser Gesang, so was habe ich noch nie gehört, verunsichert schau ich meine Freunde an, zeige mit dem Zeigefinger fuchtelnd auf eine der Lautsprecherboxen, spreche meine Freunde an: Was ist das ? Es ist so selten und es ist so gut !
„Uptown Top Ranking“ von Althea & Donna habe ich vor 40 Jahren das letzte Mal gehört, und dann schlägt mir gestern Youtube dieses Lied vor, weil’s vielleicht was für mich wäre.
Ich höre zu und bin den Tränen nahe vor Glück.