Radiokindheit

In der Küche meiner Mutter stand auf dem Kühlschrank in den 1960er Jahren ein Loewe Opta Röhrenradio.
Als Kind dachte ich, alle Musik, die da raustönt, zum Beispiel „Ein Loch ist im Eimer“, würde von kleinen Menschen, die in diesem leuchtenden Holzkasten ein kasperletheaterhaftiges Zirkusleben leben, gespielt. Die Tasten „Bass“, „Jazz“ oder „Solo“ veränderten den Klang hörbar, wurden aber leider durch das ständige Zigarettenrauchen meines  Vaters vom von der Verwandtschaft geschätzten „Sieht so wertvoll aus, erinnert an Elfenbein“ ins gelbliche Nikotinfarbene lackiert.
Später, im Gymnasium hatte ich einen Kumpel, dessen Mutter, die bei „Schaub Lorenz“ arbeitete, ihm eine Umhängetasche nähte, die mit den Fäden, die für die mechanischen Senderwahldrehreglerknöpfe vorgesehen waren, vernäht waren.
(So was kann gar nicht kaputt gehen, ähnlich eines immer spitzen Bleistiftes, den ein Schreinermeister 30 Jahre durchgehend benutzt.)

Das wichtigste Geschenk zu meiner Kommunion war ein Kassettenrekorder mir Kabelmikrofon, mit dem konnte ich so tun als ob. Ich klebte das Mikro mit einem Pflaster auf den Lautsprecher des Röhrenradios und bat meine Familie um Ruhe bei der Aufnahme.
Einmal musste ich den Mitschnitt unterbrechen, weil unser Zwergkaninchen ein Stromkabel anknabberte, einen Stromschlag erhielt und dadurch einen halben Meter durch die Luft katapultiert wurde.
Das war natürlich zu laut fürs Wohnzimmer-Studio und verpatzte mir die Aufnahme. Schade, das neue Stück von den Rubettes hätte ich gerne auf Kassette gehabt. Zum Trost zeigte mir mein Vater auf dem Globus wo England ist. Oder hat er sich doch nur ne Zigarette angesteckt? Bin mir da nicht mehr so sicher.